Einerseits: die Wahlbeteiligung bei der Bürgermeisterwahl in Lübeck betrug im November 2023 magere 37%. Das klingt nach Politikmüdigkeit.
Andererseits: die Initiative Klimaentscheid Lübeck hat innerhalb kurzer Zeit 11.000 Unterschriften erreicht, der Rad-Entscheid über 13.000 Unterschriften und die Petition zum Erhalt des Marienkrankenhaus innerhalb von 24 Stunden sogar über 20.000 Stimmen. Politikmüdigkeit sieht anders aus.
Wir sehen: geht es um lokale, kontroverse Themen – Marienkrankenhaus, Heiligen-Geist-Hospital, Klimaschutz, Verkehr – ist ein Teil der Stadtgesellschaft sehr wohl zu mobilisieren.
Wir sehen aber auch, dass es unterschiedliche Entwicklungen im politischen Raum gibt:
- Entkopplung der politischen Entscheidungen von den Interessen verschiedener Bürger*innengruppen
- Desinteresse an Politik oder Ablehnung von „denen da oben“ durch andere Teile der Bevölkerung
- Konfrontationen im politischen Dialog
- Zunahme von Bürgerbegehren und anderen Formen der politischen Willensbildung
Vielerorts wird seitens der Politiker beklagt,
- dass kaum noch jemand Ämter und Funktionen übernehmen will
- dass sie massiv im Netz und im realen Leben angefeindet werden
- dass zu politischen (Informations-)Veranstaltungen „immer die gleichen Leute“ kommen
Auf der anderen Seite
- gibt es viele Initiativen, die sich ehrenamtlich engagieren
- gibt es viele Initiativen, die sich einem speziellen Thema widmen
Was ist der gemeinsame Kern dieser Entwicklung?
Viele Menschen können und wollen nur punktuell und fokussiert an einem bestimmten Thema arbeiten. Ein anderer Teil der Bevölkerung ist frustriert, weil die eigenen Interessen nicht oder unzureichend beachtet werden. Sie wollen den politischen Dialog nicht über Parteien und politische Vereinigungen führen.
Unsere These: Bürger*innen sind mündiger geworden. Viele wollen mitgestalten, aber nicht im klassischen Rahmen von Parteien und nicht über lange Zeiträume. Doch dafür sieht unser derzeitiges System der repräsentativen Demokratie kaum Möglichkeiten.
Vor diesem Hintergrund ist ein Bürgerinnenrat genau das Instrument, das diese Bedürfnisse von punktueller politischer Anteilnahme erfüllen kann. Und der Bürgerinnenrat kann noch viel mehr für die demokratische Weiterentwicklung der Gesellschaft bewirken.
- Auf Bundesebene werden Bürgerräte inzwischen genutzt, um der Politik Empfehlungen zu geben (Bürgerrat Ernährung).
- Im Koalitionspapier von CDU und Grünen in Schleswig Holstein wurde vereinbart:
“Bürgerinnenräte und Bürgerräte in Land und Kommune gesetzlich etablieren
Wir verankern Bürgerinnenräte und Bürgerräte gesetzlich auf Gemeindeebene und auf Landesebene.“
Die Initiative „Bürgerrat für Lübeck“ möchte das Instrument für Lübeck etablieren und die Demokratie damit stärken.

